1000 Worte zu Amerika
Ein Besuch im Marineflieger-Museum in Pensacola, Florida
Am Abend des 16. Mai 1919 startes drei Curtiss-Flugboote des US-Marine Aviation-Coprs in Neufundlands Trespasy Bbay und verschwinden auf Südost-Kurs über dem schon im Dunkel liegenden Atlantik. Trotz einer Kette von 41 Zerstörern als Navigationshilfe erreicht nur die sechsköpfige Besatzung der NC-4 unter Commander Albert C. Read das europäische Festland bei Lissabon und erfüllt ihren Auftrag: Die erste Atlantiküberquerung acht Jahre vor Lindbergh!
Heute hat jenes historische 14 Tonnen Fluggerät mit seinen vier, zusammen 1600 PS leistenden, Motoren einen neuen Heimathorst gefunden. Ausgeliehen von der Washingtoner Smithonian Institution steht es im Museum of Naval Aviation in Pensacola, Florida neben Weltkriegsveteranen wie der Grumman F6F Avanger des All-Time-Ace Lt.Col. „Pappy“ Boyington oder so modernem Gerät wie der weltweit einzigen ausgestellten F-16 Tomcat.
Pensacola, im äußersten Westen des Panhandle, Floridas langgezogenem Nordwest-Teils, gelegen, ist geographisches und historisches Bindeglied einer Vielzahl fliegerischer Begriffe. Mit der 1800 km² messenden Egglin Base liegt die größte Luftwaffenbasis der USA einen Steinwurf weit im Osten quasi vor der Tür. In ihrem Armament Museum werden drei mal die Woche Flugzeuge, Bodenwaffen und militärisches Gerät aus beiden Weltkriegen, sowie den Korea- und Vietnam-Konflikten gezeigt.
Der Marinefliegerstützpunkt in Pensacola ist der älteste des Landes und dient seit 1914 der Ausbildung von Navy-Piloten, wofür die Gegend an der Grenze zu Alabama mit ihren überdurchschnittlich vielen klaren Tagen beste Voraussetzungen bietet. Mit 19 000 Beschäftigten, wovon 9 000 Zivilisten sind, ist die Marine um Umkreis der Naval Air Station, zu der noch 14 weitere Flugfelder gehören, der größte Arbeitgeber. Der Öffentlichkeit unendgeldlich zugänglich ist das Nationale Marineflieger Museum. Auf dem Gelände der Basis gelegen dokumentiert es Geschichte und Tradition der Marinefliegerei seit ihren Anfängen und über alle Kriegsschauplätze, zählt mit den Dutzenden ausgestellten Maschinen und den vielen anderen original-Zeugnissen zu den größten Luft- und Raumfahrtmuseen der Welt.
Ein interessanter Ausstellungsteil befasst sich mit der kaum beachteten Geschichte der amerikanischen Zeppeline. Unter Federführung der Marine begannen bereits 1915 die ersten Experimente des Lighter Than Air Programs mit gasgefüllten Ballonen in Pensacola. 1923 wurde, basierend auf den Erkenntnissen eines in England erbeuteten deutschen Luftschiffs, mit der USS Shennandoah der erste amerikanische Zeppelin in Dienst gestellt. Während des 2. Weltkriegs überwachten die Airships 480 000 km² Luftraum über dem Atlantik und spürten mit eigens entwickelter Elektronik feindliche U-Boote auf. Bis Anfang der 1960er Jahre, die verbesserte Technik erlaubte es nun Flugzeuge für ehemals Luftschiffen zugedachte Aufgaben einzusetzen, maß die Navy ihrer Zeppelin-Flotte große Bedeutung bei, stellte noch 1959 die vier größten je gebauten Airships in Dienst.
Teil der Navy-Glorifizierung ist die der bemannten Raumfahrt gewidmete Ausstellung, zu der auch die Original Skylab Kommandokapsel zählt. Ob Mercury-, Apollo- oder Shuttle Programm: An der Bord der ersten 44 bemannten Raumflüge waren 37 Marineflieger und so heißt es wohl zu Recht: Der schnellste Weg zum Astronauten führt über die Navy!
Mit der Coast Guard Aviation dokumentiert das Museum ein weiteres Stück nautischer Luftfahrt in Pensacola. , wo 1917 die erste Gruppe der fliegenden Küstenwache stationiert wurde. Zunächst mit von der Navy geliehenen Flugzeugen, weswegen die Coast Guard denn auch in Kriegszeiten mit Mann und Maus der Marine unterstand. Heute zählt man landesweit eigenständige 135 Flugzeuge, 7000 Offiziere und 2 000 Matrosen.
Ein plastisches Gefühl von der beklemmenden Enge eines Jet-Cockpits oder den unüberschaubaren technisches Einrichtungen in der Kanzel eines Kampfhubschraubers vermittelt die beachtliche Anzahl Hands-On-Displays , die das Berühren, Begehen und Bedienen ausdrücklich erwünschen. Wo sonst kann man eine F-4 Phantom mit dem Steuerknüppel zu simulatorunterstützten Bewegungen animieren?
Nach den im vergangenen Jahr abgeschlossenen Umbaumaßnahmen stehen nun einige hundert Quadratmeter zusätzlicher Ausstellungsfläche zur Verfügung und erleichtern die zuvor beengte Lage des Museums. Neben einer Fachbibliothek steht dem interessierten Besucher hier auch eine umfangreiche marinebzogene Dokumentationsstelle offen.
Ein Abstecher nach Pensacola lohnt aber nicht nur des Museums wegen: Die City of five Flags reizt mit wunderbar weißen Sandstränden am Golf von Mexico und einer gut erhaltenen Altstadt, in der sich die Geschichte bis zu den Spaniern zurückverfolgen lässt.