1000 Worte zu Amerika
Urlaub und Erholung in Floridas abgelegenen Schutzgebieten

Durch sein subtropisches Klima ohnehin schon mit reicher Flora und Fauna gesegnet hält der Sunshine State noch verstecktliegende Kostbarkeiten parat, die man manchmal nur durch Zufall aufspürt. SANDS OF YOUR OWN nennt der Amerikaner diese abseits gelegenen Paradiese in denen jeder blasse Camper zum eingeborenen Robinson wird, seine Vorsicht, die Schuhe und die Massen hinter sich läßt. Der Sunshine State bietet in jeder Beziehung genug Sand für jeden, der entdeckungslustig genug ist seine eigene Düne mit Blick aufzuspüren!

Sand und Sonne

Meilenweit zieht sich die Route 399 westwärts durch den schmalen Landstreifen der Santa Rosa Island in der hintersten Ecke des Panhandle, Floridas langgezogenem Nordwestteils. Umgeben nur von ansehnlichen Dünen und einer langen Reihe geparkter Autos rechts und links, dahinter eine Ahnung von Brandung und Meer. Touristen wie Locals schätzen den einfachen Zugang zu diesem Teil der Gulf Islands National Seashore, die feinen weißen Strände, die, zusammen mit dem türkisgrünen Golf, unser Bild vom Paradies prägen.

Zwar steht dieser Küstenstreifen unter Naturschutz, doch ist das Stück zwischen Navarre und Pensacola so stark frequentiert, daß wir nur schwer etwas von dem wiederfinden, wovon uns andere Camper so vorgeschwärmt hatten: Stille und weite, Einsamkeit und Unbeschwertheit. Gerade etwas Dramatik kommt auf, wenn eine Wand schwarzer Gewitterwolken drohend mit dem weiß des aufgetürmten Sandes kontrastiert.
240 km weit zieht sich die Kette der zur National Seashore gehörenden Barriere-Inseln parallel zur Küste. Von Fort Walton Beach/FL bis Biloxi/MS, wobei der floridianische Teil aus vier Teilen besteht: drei auf der Insel Santa Rosa und einem auf dem östlichen Ende von Perdido Key nahe der Grenze zu Alabama, dem zum Campen besten Spot.
Flach und leer, aber mit zehn Kilometern besten Strand und reichlich blaugrünem Badewasser versehen, sind wir hier am Morgen die Ersten und Einzigen, die die frischen Muster im Sand stören. Ein Backcountry Permit, die zum einzig gestatteten primitive camping notwendige Erlaubnis, stellt die Ranger Station in Ft Pickens gegen eine kleine Gebühr aus. Sanitäre Einrichtungen und Frischwasser sind vorhanden.

Tief im Westen

Die mit der Überschrift gesetzte Grenze überschreitend, fahren wir gute 160 km weiter nach Westen, nach Mississippi, wo die wahren Schätze des Schutzgebiets liegen. Petit Bois, Horn und die beiden Ship Islands sind die am wenigsten entwickelten und am weitesten abseits gelegenen des Golfs und bieten gute Gelegenheit, unverdorbene Inselwildnis zu erleben.
Petit Bois, rund 11 km lang und um die 800 m breit, ist der Schnappschuss einer Inselphantasie: Kristallklares Wasser umgibt die die puderzuckerfeinen Sandstrände, niedrige Dünen überblicken das Innere, von Marschen, Pinien, Eichen und großen Yauponsträuchern strukturierte Land. Nur wenige Besucher campen hier, was das ganze Jahr über erlaubt ist und kein Permit erfordert. Beraten aber sollte man sich mit den Rangern in Ocean Springs/MS schon allein wegen des Bootstransfers zu den 25 bis 30 km vor der Küste gelegenen Eilanden, der zum Teil von Konzessionären betrieben wird. Touristische Einrichtungen gibt es nur auf West Ship Island, überall sonst ist totale Selbstversorgung angesagt.

Moskitos im State Park

Mit etwas mehr Komfort wartet der St George Island State Park an der „vergessenen“ Südostküste des Panhandle auf. Sein 16 km langer Strand zählt zu den zehn besten der USA und die Vorgabe erfüllt er auch nach unseren Maßstäben mit Leichtigkeit! Sanft aus den Wellen heraus ansteigend bilden lange Dünen die höchsten Punkte der Topographie, überblicken die der Apalachicola Bay zugewandte flache Seite der Insel, wirbeln durcheinander in Erinnerung an die Eiszeit, als das Land der See noch Boden abtrotzen konnte. Eine ansehnliche Lagune zieht sich entlang der mal mehr, mal weniger dicht mit Pinien bestandenen Westseite. Ihr flaches Wasser eignet sich gut zum Muscheln sammeln, Schwimmen, Motorboot- und Kanufahren. Die stillen Plätzchen an den Rändern der Frischwassermarschen ziehen aber nicht nur Ruhe suchende Tramps an: Größter Erfolg der der vielen Natur- und Wildschutzgebiete ist die Wiederansiedelung der Weißkopfseeadler, deren landesweit zweitgrößte Population mittlerweile in Florida lebt! So bekommen wir für 2$ Tagesgebühr viel geboten: Duschen, Toiletten und Picknickmöglichkeiten am Strand und reichlich Moskitos auf dem 400 m hinter den Dünen gelegenen Campground. – In den Parks werden die lieben Kleinen nicht mit der chemischen Keule versprüht. Das muss jeder für sich am eigenen Leib tun!

Schildkröten und Raketen

An der dem Atlantik zugewandten Seite der Halbinsel bietet die Canaveral National Seashore zwischen Edgewater und Merrit Island einen weiteren unverdorbenen Mix von Bariere Inseln, Feuchtgebieten, Stränden und Lagunen. Ihr 40 km langer Atlantikstrand ist das längste Stück unentwickelter Küste auf dieser Seite Floridas und viele See-Schildkröten nutzen ihn im Sommer zur Eiablage. – Ein Ereignis, das eine durchwachte Nacht vielfach wert ist! Auch hier bestimmen die bis zu 5 m hohen Dünen das Bild, trennen den Strand und die von flachen Myrthen- und Seegrasbüschen bestandene Moskito Lagune voneinander (die ihren Namen völlig zu Recht trägt). Campen ist zwischen dem 01.10. und 14.05. auf den nördlichen 20 Strandkilometern erlaubt. Aber auch die werden während einer Startphase im nahem Kennedy Space Center geschlossen. Ein Anruf bei der Verwaltung in Titusville klärt die Lage.

Die goldene Mitte

Eingerahmt von Lake George, Oklawaha und St Johns River liegt östlich von Ocala, eingebettet in den großen Ocala National Forest, das Juniper Prärie Wilderness Area. Klein und fein schlagen wir hier unser Zelt auf der Grasprärie unter schattenspendenden Sandpinien auf. Auch Zentralflorida hat seine Reize. Mal ist die Landschaft steppenartig kahl, mal ist sie mit Tümpeln, Sümpfen und Pinieninseln strukturiert. Immer jedoch bietet sie nach langen Tagen am Meer Abwechslung, ohne den Wassersport ganz Außen vor zu lassen. Mehr als 600 Seen jeder Größe, ein rundes Dutzend kristallklarer Quellen und die umliegenden Flüsse lassen uns kaum zur Ruhe kommen. Darüber hinaus gibt es überraschend viel Wildlife zu sehen: Fischadler, Weißkopfseeadler, Hirsche und Bobcats beobachten wir ohne großen Aufwand, nach etwas Wartezeit stellen sich sogar zwei neugierige Braunbären ein, von denen einige Dutzend den Staatsforst ihr zu Hause nennen.
Die Juniper Prärie ist das ganze Jahr über zugänglich, wirklich empfehlenswert sind aber nur Frühling und später Herbst – zu angriffslustig sind die Moskitos im Sommer. Trinkwasser und was Campers Herz sonst noch begehrt gibt’s im nicht weit entfernten Juniper Springs Recreation Area.

Fluss aus Gras

Weiter geht die Reise entlang der Küste nach Süden und bei Einfahrt in den Everglades National Park sind wir froh, die großen Städte hinter uns zu haben. Die „Glades“, das ist der „Fluss aus Gras“, wie die Ureinwohner sie nennen. Und ein nur schwer wahrzunehmender Fluss von 15 cm Tiefe und kaum auszumachenden 80 km Breite ergießt sich im Sommer aus dem 180 km weiter nördlich gelegenen Lake Okeechobee in die Florida Bay und versorgt so die einmaligen rund 5600 km² Feuchtland
Um die unspektakulär-schöne Landschaft zu erkunden, eignet sich das Kanu am besten. Für 25 $ pro Tag machen wir uns so in Flamingo am südlichsten Festlandzipfel mobil. Backcountry Permits stellen die Ranger in Everglade City und Flamingo aus und wir tun gut daran, die Kanutrails mit ihnen durchzusprechen. – Zu stark schwankt der Wasserstand und das Boot mit Sack und Pack über den aufgeweichten Untergrund zu bugsieren ist bei den vielen Moskitos kein Vergnügen. Um ihnen weitestmöglich zu entgehen, fährt man am besten im Winter. Aber auch dann sind Schutzsprays noch ein Muss!
Viele landschaftstypische Details wie die Hammocks, mit Palmen und Eichen bestandene Kalksteininseln, die nur ein paar Zentimeter aus dem Wasser ragen, begreifen wir vom Kanu aus erst richtig. Die Trails reichen vom halbtägigen Roundtrip bis zum einwöchigen Wilderness Waterway durch den unerschlossenen Westteil. Markierte Zeltplätze am Ufer und die hölzernen Chikees erleichtern die Wahl des Übernachtungsplatzes. Letztere sind mit chemischen Toiletten und wetterschützenden Dächern sogar sehr gut ausgestattet. Im milden Winter ist der Aufenthalt für alle Plätze aus eine Nacht beschränkt und überall gilt „Fist come – First served“!

Das letzte Ende

Nach Key West, der südlichsten Festlandstadt der USA, locken uns nun noch die die sieben Dry Tortugas, 100 km westlich inmitten der Korallensee. Erreichbar nur per Wasserflugzeug oder Boot, entscheiden wir uns für die schnellere, mit 299 $ für den Übernachtungsbesuch aber auch deutlich teurere, Variante. 45 min dauert der Flug von Key West aus und der Golf ist hier so klar, daß wir einige der heute seltenen Grünen- und Loggerhead Seeschildkröten sehen können. Nach ihnen nannte Ponce de Leon die Inseln Las Tortugas. Attraktion auf der Hauptinsel Garden Key ist das nie ganz fertig gestellte Fort Jefferson. Als größte gemauerte Befestigungsanlage der westlichen Welt ist es, heute recht verfallen, seit 1992 in den Status eines national Monuments erhoben. Mitte des 19. Jahrhunderts zum Schutz amerikanischer Handelsrouten erbaut, wurde nie ein Schuss aus den roten Backsteinkasematten abgefeuert. Ein gut markierter Rundgang ist einen lockeren halben Tag wert. Schnorcheln ist eine andere lohnende Aktivität. Key West Seaplane Service stellt kostenloses Zubehör und der das Inselrund umgebende Graben ist der perfekte Ort. Zu sehen gibt es unter Wasser viel: Limonengelbe Engelsfische, schwarzgestreifte Seargent Majors oder fast durchsichtige Nadelfische, dünn wie ein Bleistift. Und keine Angst vor den Baracudas: So lange man sie vom Schwanz her angeht tun sie selten etwas!
Zehn überaus schlichte Campsites bietet die straßenlose Insel und das einzige Zugeständnis an an die Bequemlichkeit sind die rustikalen Salzwassertoiletten. Allerdings wird dafür auch keine Gebühr verlangt. Reger Betrieb herrscht auf der Insel eigentlich nur zwischen Februar und Mai, wenn zehntausende Seevögel die Naturfreunde in Scharen anlocken. Reservieren kann man auch dann leider nicht. Es gibt keinerlei Versorgungseinrichtungen und so muss alles mitgenommen werden, natürlich auch der Abfall.
Aber die Mühe lohnt sich, denn sind die wenigen Tagesgäste erst einmal davon geflogen, sind wir dem Traum von der eigenen Insel so nah wie nie zuvor! Ganz allein genießen wir den Sonnenuntergang und die hereinbrechende Nacht erweckt noch einmal so manches laute Leben, bevor sich für uns die Stille über Florida senkt.

Wasser-Wunderland

Wasser ist ein auf vielfache Art dominierendes Element in Floridas subtropischer Landschaft, deren Ebenheit vor allem die Kanuten unter den Wassersportlern begünstigt. Mit dem Canoe Trail System, öffentlichen Flussläufen die auch durch Privatbesitz fließen, finden sie auf z. Zt. 35 Routen mit 1250 km Gesamtlänge im ganzen Staat beste Bedingungen vor. Gut beschildert und mit Campingmöglichkeiten an den Ufern ausgestattet sind die zumeist mit unteren Schwierigkeitsgraden bezeichneten Strecken vor allem für Anfänger zu empfehlen.
Für Tagesausflüge bieten sich diverse State Parks an, die in der Regel gute Camping- und Zugangsmöglichkeiten besitzen.
Reißende Wildbäche aber sucht man hier vergeblich: Die größten Hindernisse sind oft die auf der Wasserfläche ragenden Bäume.
Die Fließgeschwindigkeiten sind durch das geringe Gefälle niedrig und nur selten überschreiten die Tiefen Stehhöhe. Viele Flüsse weisen durch ihren hohen Taningehalt eine typisch braune Färbung auf und besitzen sehr saubere Sandböden.

Parks und Parks

Amerika bietet reichlich Schutzgebiete der verschiedensten Art, wobei aber Unterschiede zwischen den Parks auf Nationaler- und Länderebene vorhanden sind. Beide schützen sie natürliche, historische und kulturelle Merkmale von nationaler Bedeutung. Den Schwerpunkt legen die National Parks dabei mehr auf Interpretation und Verständnis der Natur und ihrer Vorgänge, während die State Parks besser für Erholung und Freizeit ausgestattet sind.
Floridas State Parks sollen das Land im Zustand zeigen, in dem es die Europäer vorfanden, als sie es vor beinahe 500 Jahren kolonisierten. Dabei verbinden sie auf gelungene weise Erlebnis- mit Erholungswert, denn fast immer findet man interessante Naturphänomene verständlich aufbereitet und gut zugänglich neben schön gelegenen Freizeiteinrichtungen. Anzumerken bleibt, daß die die von Washington aus verwalteten National Parks weniger restriktiv im Umgang mit ihren Besuchern, in puncto Sanitär- und Gemeinschaftseinrichtungen aber auch schlechter ausgerüstet als die meisten State Parks sind.